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RSSPrint

Freiheit der Wirtschaft?

Werteorientierung oder größtmögliche Freiheit der Märkte?
Große Teile der Politik und Wirtschaft fordern ein Lieferkettengesetz

Im November 2019 beschloss die CDU auf ihrem Parteitag die Umsetzung eines Lieferkettengesetzes (Beschluss Nr. C 29). Kurz darauf, im Dezember, schlossen sich dem, in einem Aufruf, 42 große deutsche Unternehmen an. Jüngst sprachen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag Alexander Dobrindt für ein Lieferkettengesetz aus. Die zahlreichen anderen Befürworter bleiben hier unerwähnt.

In einem Land der westlichen und zugleich nördlichen Hemisphäre bleibt das Einfordern der unternehmerischen Freiheit jedoch weiter sehr gewichtig. Das kann auch gar nicht anders sein. Die Freiheit der Märkte ist systemrelevant. Unser Überleben auf diesem Planeten ist es aber ebenso. Und so müssen wir weiter Kompromisse finden und die Regulierungskompromisse, die bei uns in Jahrzehnten gewachsen sind eben für den ganzen Planeten zulassen. Hier ein Lieferkettengesetz zu gestalten und damit dem Beispiel anderer europäischer Staaten zu folgen, passt in die internationalen Bemühungen für Wirtschaft und Menschenrechte.

Die Freiheit der Märkte und die internationale (globale) Freiheit der Wirtschaft macht andere Menschen gleichzeitig unfrei, bzw. bedroht sie sogar.

In Deutschland sind die Märkte nicht frei. Sie sind reguliert. Die deutschen Unternehmen aber agieren auf  freien Märkten außerhalb Deutschlands. Das ist vielerorts für sie sehr vorteilhaft.
Die beiden größten deutschen Chemieunternehmen machen 30% ihres Umsatzes mit in Deutschland zu Recht verbotenen Pestiziden (Quelle: INKOTA-Dossier in: südlink 193). In diesem Fall gibt es ein Angebot und eine Nachfrage und die Unternehmen nehmen sich die unternehmerische Freiheit, das zu verkaufen, was verlangt wird, auch wenn es schädlich ist.
Was ist dazu zu sagen?
1. Die Marktteilnehmer, die die Pestizide in großen Mengen ordern, sind nicht die Betroffenen bzw. die Vergifteten.
2. Viele Kleinbauern sind nicht ausreichend informiert über die Produkte, die sie kaufen. Auf vielen regionalen Märkten sind diese Produkte auch alternativlos oder werden alternativlos gemacht. Dies betrifft auch die Situation um das Saatgut. Da steht einer Freiheit auch viel Unfreiheit gegenüber.

Kurz: Die Freiheit von wenigen Wirtschaftsaktiven geht einher mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Betroffenen, mit Menschen, die von dieser Freiheit auf negative Weise betroffen sind.

Stichwort Verträge

In Deutschland sind wir vor diesen Auswirkungen durch Regulierungen geschützt. Der Fokus von Regulierungen sind juristische Formulierungen, die in Verträge eingehen. Verträge vielfältigster Art und ihr juristischer Unterbau bestimmen das Netzwerk der Weltwirtschaft. Verträge können förderlich für die Daseinsvorsorge und Existenzsicherung von Menschen sein, Verträge können diese aber auch unberührt lassen. Das ist der Punkt: Das globalisierte Nord-Süd-Wirtschaftsnetzwerk wird von Verträgen geknüpft, und diese Verträge sind oft auf einem Auge blind. Sie beinhalten oft nicht die Bedürfnisse der Betroffenen, derjenigen Menschen, die als Arbeiter diese Verträge umsetzen, die in ihrer Wohnumgebung von den Auswirkungen betroffen sind und die nicht zuletzt als Kunden betroffen sind.

Auf internationaler Ebene versucht man, von der UNO ausgehend, seit 2011 das blinde Auge sehend zu machen. Auch die Bedürfnisse der Betroffenen sollen in die Verträge der Märkte der Weltwirtschaft einbezogen werden. Ein wichtiger Schritt dorthin war die Erarbeitung und Verabschiedung von nationalen Aktionsplänen für Wirtschaft und Menschenrechte. Weltweit haben bereits 23 Länder einen solchen NAP verabschiedet. Deutschland tat dies 2016. Erarbeitet wurde dieser in einem zweijährigen Prozess unter Beteiligung u.a. von sechs Bundesministerien und den Vertretern aller drei Wirtschaftsverbände. Dieser NAP ist die Grundlage für den Entwurf eines Lieferkettengesetzes. Der jetzige Entwurf ist also das Ergebnis der internationalen Beziehungen der Bundesrepublik und eines nationalen breiten Aushandlungsprozesses. (Eine Chronik darüber siehe hier.)

Der faire Handel hofft weiter sehr auf die Verabschiedung eines Gesetzes zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen möglichst bereits ab 500 Beschäftigten.

Lutz Hausmann

Letzte Änderung am: 27.09.2020